Wie es der Zufall will, ist ein Freund auch in der Stadt, in der ich gerade bin. Also gehen wir zusammen essen.
Was er für grundsätzlich wünschenswerter hält, frage ich ihn. Bindungsangst zu haben, oder Verlustangst?
Bindungsangst, antwortet er ohne zu zögern und nach kurzem Nachdenken stimme ich ihm zu. Der Bindungsängstliche hat eindeutig weniger Stress, als der Verlustängstliche.
Leute mit Verlustangst stehen auch schneller dumm da, oder gelten, bzw. sind krankhaft eifersüchtig, kontrollsüchtig und auch sonst total nervig. Leute mit Bindungsangst hingegen sind immer auf der sicheren Seite, haben meistens mehrere Optionen auf die sie bei Bedarf zurückgreifen können. Besonders dann, wenn sie sich auf die Verlustängste oder die Bindungsängste der Optionen verlassen können.
Denn Verlässlichkeit ist für Beziehungen wichtig. Ich wünsche mir für meine Zukunft etwas mehr Bindungsangst und weniger Verlustangst. Am schönsten wäre allerdings gar keine Angst, aber wie soll das gehen.
Aus dem Kapitalismus kann man nunmal nicht allein aussteigen.
Nachdem wir einander auf den Stand der Dinge gebracht haben, was unsere Liebesleben betrifft, werfen wir uns gegenseitig spaßhaft vor, toxisch zu sein.
„Toxic!“ rufen wir uns ab da bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu und deren gibt es reichlich, zumal der Alkoholpegel steigt. In bezug auf ihn, ist das absolut der Fall, also er ist ja wohl einer der führenden Toxiker Deutschlands.
Also, er ist ein lieber Kerl, der sich, wie wir alle, um die falschen Dinge zu viel Gedanken macht, jedoch um die richtigen Dinge zu wenig. Also, er ist natürlich total toxisch. Aber ich? Ich bin nicht toxisch. Auch wenn es stimmt, was Eric Blanc sagt. Also, dass ich gern Leute quäle. Aber doch nur die, die es verdient haben. Und was kann ich dafür, dass so viele Leute, es verdient haben? Aber ich bin trotzdem nicht toxisch.
„Du bist das Gegenteil von toxisch. Aber auf eine schlechte Art.“ hat Spongebob zu mir gesagt. Das fand ich gut.
Aber natürlich kokettiere ich gern damit, toxisch zu sein. Also, ich tue gern so, als ob ich toxisch sei, dabei bin ich das Gegenteil von toxisch und sogar auf eine gute Art. Sorry Spongebob.
Ich tu nur gern so, weil ich cool sein will.
Bindungsangst haben, Probleme mit Nähe haben, Angst vor Gefühlen und sich deswegen abgrenzen müssen und abweisend sein und nicht zurückrufen und sich nicht melden und manipulativ sein, ist auf jeden Fall cooler, als bedürftig und abhängig rüberzukommen.
Deswegen tu ich gern so, als sei ich eiskalt, gerade dann, wenn ich es nicht bin, weil das eben cooler ist. Ich geb mmich toxisch und abgebrüht, aus dem gleichen Grund, aus dem Jugendliche mit dem Rauchen anfangen.
Was ja auch toxisch ist.
Rauchen.
Aber Rauchen hat auch Vorteile, habe ich neulich gelesen. Und zwar: Rauchen verbindet. Rauchen regt die Verdauung an. Wer raucht, hat ein geringeres Risiko, an Demenz zu erkranken, weil es nämlich die Gehirntätigkeit anregt und gut fürs Gedächtnis ist. Rauchen drosselt den Appetit und darum sind Raucher im Durchschnitt schlanker als Nichtraucher. Rauchen verringert das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Rauchen wirkt gegen Depressionen, Parkinson, Alzheimer und das Tourette- Syndrom und gegen ADHS. Die Liste ließe sich bestimmt noch lange fortsetzen, aber ich habe keine Lust, noch weiter zu googeln.
Bestimmt ließe sich dasselbe auch in Bezug auf toxisches Verhalten sagen. Also, dass es verbindet, beispielsweise. Oh ja, oh ja, oh ja, das stimmt.
Allerdings trennt toxic sein leider auch.
Aber Rauchen trennt auch. Rauchen trennt Raucher von Nichtrauchern.
Auch die anderen Vorteile des Rauchens, lassen sich m.E. eins zu eins auf Toxizität übertragen.
Also: Toxisch sein regt die Verdauung an, drosselt den Appetit, ist gut gegen Tourette und für Gehirn und Gedächtnis. Kann gegen Schizophrenie, Depressionen, Demenz, Alzheimer und Parkinson helfen. Toxische Menschen leben also länger und besser.
Sofern sie nicht an Krebs erkranken oder chronischem Husten.
Ich hoffe, ich als Nicht- Toxikerin habe auch was davon. Aber zum Glück rauche ich hin und wieder, wenn auch noch lange nicht genug. Ich hoffe trotzdem, das gleicht es aus.
Falls nicht, dann hat es bestimmt gesundheitliche Gründe, warum ich mich zu toxischen Menschen manchmal so stark hingezogen fühle.
Und nicht nur manchmal. Vermutlich hatte ich noch nie was mit einem Nichttoxischen.
Ebenso, wie ich noch nie was Ernstes mit einem Tätowierten hatte, oder mit jemandem der nicht raucht.