In Deutschland wurden im Jahr 2015 insgesamt 2,5 Millionen Unfälle von der Polizei aufgenommen, darunter waren 37.450 Unfälle, bei denen mindestens ein Beteiligter unter dem Einfluss berauschender Mittel stand. Dies waren 1,5 Prozent aller polizeilich registrierten Unfälle. Das bedeutet, dass 98,5 % aller Unfälle in nüchternem Zustand zustandekamen, also dass nichts gefährlicher für Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer ist, als Nüchternheit hinterm Steuer! Ich fordere also hiermit radikales Umdenken und bitte setzen Sie sich nicht mehr an ein Lenkrad, ohne nicht vorher mindestens zwei Wodka gekippt zu haben, vielen Dank.
Ich fühle mich so unsicher, mit diesen ganzen nüchternen Menschen im Straßenverkehr und dann lese ich Zeitung und fühle mich noch unsicherer und dann mache ich den Briefkasten auf und darin ist alles nur gelb, gelb, gelb, wie jedes Jahr kurz vor Weihnachten und ich fühle mich noch schlimmer und dann trinke ich Wodka und dann fühle ich mich noch schlimmer und deswegen werde ich nie wieder Wodka trinken, wenigstens das nicht, ich darf das, denn ich habe ja keinen Führerschein, kann also so viel Wodka nicht trinken, wie ich will.
Eine kurze Umfrage bei Freunden letzte Woche ergab, dass die anderen das auch fühlen, also dieses permanente Gefühl von Unglück und Angst und Überfordertsein und manchmal sogar Panikattacken und Herzrasen, gefolgt von Schlafanfällen. Nicht Schlaganfällen (!) Ich habe das ganze Wochenende verschlafen. Samstags, erst bis elf, dann wieder von 13 bis 17 Uhr und dann abends um zehn ins Bett, total erschlagen. Morgens habe ich mich wegen der Kinder rum halb zehn rausgequält, aber dann wieder von 12 bis 15 Uhr geschlafen, kurz was gegessen, also drei Löffel kalte Erbsen vom Vorabend aus dem Topf gekratzt und dann habe ich mich wieder hingelegt, von 16 bis 18 Uhr 30. Kurze Aktivität, bißchen aufräumen, bißchen kochen, bißchen essen und dann um neun wieder in die Heia. Dann Aufwachen und im Dunkeln rumgelegen, mit dem Handy, Schlagzeilen gelesen bis halb drei und heute um 11 Uhr 30 erwacht. Geträumt, aber ich erzähl das jetzt nicht. Niemand will wissen, was du geträumt hast. In Romanen überblättere ich die Traumerzählungen immer und ich will auch keine Filme nacherzählt bekommen. Mir hat sogar mal jemand Katzenvideos nacherzählt und das war das Schlimmste überhaupt. Aber es war so süß, wie die kleine Katze in den Korb gefallen ist und wie dann geguckt hat und dann kam sie wieder rausgekrabbelt und das musst du dir ansehen, warte, ich schick dir den Link.
Wenn jemand mir einen Film erzählt, oder einen Traum, dann sacke ich innerlich zusammen und das ist so anstrengend, denn wenn man innerlich zusammensackt, muss man sich äußerlich um so mehr straffen und das Gesicht zu so einer Aufmerksamkeitsmaske verzerren und dann muss man den Traum bewundern und beteuern, dass man sich den Film unbedingt bald mal ansehen wird und man macht sich so eine Notiz hinters Ohr: Unbedingt endlich bald „BLADE RUNNER“ gucken.
Was? Den hast du immer noch nicht gesehen, der ist so toll, diese verliebten Replikanten und diese Düsternis und die ganzen philosophischen Anspielungen, etc. Jedenfalls zwei meiner Freunde fühlen sich auch so lost und daher glaube ich, dass es allen so geht, das ist das ganz normale Erwachsenengefühl, also so ab Mitte 30 geht das los, dass man die Apokalypse kommen sieht. Wenn man zum Beispiel Leute trifft, die man kennt, die einen aber nicht sehen, die sich also unbeobachtet fühlen beim Warten an der Supermarktkasse, da sieht man wirklich die ganze Verzweiflung, die sie sonst nicht so zeigen, so ein Blick komplett finster und trübe und ganz leere Augen, so dass ich lieber nicht Hallo sage, einfach um ihnen nicht das Gefühl zu geben, ihr Geheimnis aufgedeckt zu haben. Denn wo kämen wir hin, wenn wir uns eingestehen würden, dass wir am Ende sind und einfach nur noch hoffen, irgendwie bis 60, 70, 80 durchzuhalten, wegen der Kinder.
Am Samstag habe ich gar nicht nur geschlafen, wir waren auch bei Freunden und haben da gegessen, und die Kinder haben uns Puppentheater vorgeführt und dann wollten sie wissen wie es war und mir wurde klar, wie Kunstkritik funktioniert, oder warum sie nicht funktioniert, jedenfalls für den Künstler nicht funktioniert, denn wir haben gesagt: Also es war sehr gut, aber man hat gemerkt, dass ihr nicht genug geprobt habt, aber du hast das sehr gut gemacht, weil du deinen Kopf unten gelassen hast und die Handpuppe hoch gehalten hast, aber ihr dürft nicht so durcheinanderreden und ihr müsst euch mal eine richtige Handlung ausdenken, aber es war sehr gut, dass ihr das gemacht habt und beim nächsten Mal müsst ihr auf ganz viele Dinge achten, aber es hat Spaß gemacht euch zuzusehen, denn wir waren besoffen und stolz auf euch und außerdem hat uns euer Theater an meine eigene Kindheit erinnert und ich hatte deswegen Tränen in den Augen, aber ihr müsst mehr proben und es das nächste Mal besser machen. Es ist nie zu spät, sich zu verbessern. Das stimmt nicht. Aber das merkt man erst, wenn es zu spät ist.