Montag.
Berlin.
Spongebob fragt mich, ob ich finde, dass sie “Probleme mit Aggressionen” hat.
Was? Nee. Wieso? Keine Ahnung. Aggressionen haben wir alle manchmal, aber hast Du damit Probleme? Wie kommst du denn darauf?
Das hat neulich eine Freundin zu ihr gesagt, erwidert Spongielein, denn diese Freundin hatte ihr…
(Absicht oder Spaß? Äußerst mieser Spaß BTW…)
Concealer ans Basecap geschmiert, als ich die beiden mal kurz im Duty Free aus den Augen ließ, um mir ein neues Parfum auszusuchen.
Spongebob hat sich umgehend und impulsiv gerächt und ihrer Freundin Concealer auf den Pulli geschmiert.
Woraufhin diese sie, besagter “Probleme” bezichtigte.
Relax, das war Aktion- Reaktion, Spongebob.
Aber, da du mich nach meiner Meinung gefragt hast und ich dich, als deine Mutter ganz gut kenne, würde ich sagen, dass du keine “Probleme mit Aggressionen” hast.
Oder doch? Hast du? Das kannst nur du selbst wissen. Oder nicht mal du.
Wer weiß schon, wie er ist und womit er Probleme hat.
Das ändert sich doch ständig. Mal hat man Probleme mit Aggressionen, mal hat man Aggressionen, mal hat man Probleme mit zu wenig Aggressionen, oder Gewichtsprobleme, oder Gesichtsprobleme, oder Gerichtsprobleme.
Immer ist was.
Man lernt sich ja im Laufe seines Lebens immer besser kennen, bzw. versteht sich immer weniger.
Es gibt überraschend viele Leute, die meinen, anderen Leuten unaufgefordert sagen zu müssen, wie sie sind.
Da braucht man nichts drauf geben.
Sie erzählen dir gern, wie du bist und sie erzählen dir auch gern, wie sie sind.
—
“Wie kann man ernsthaft von sich behaupten: Ich bin KEIN Nazi?” rief der Großkünstler neulich mit zornesrotem Gesicht, als wir beim Tee zusammensaßen.
Sich selbst die Fähigkeit zum Bösen abzusprechen und sich für moralisch höherstehend als andere zu halten, genau DAS sei faschistoid,
setzte er hinzu.
Aber jeder Mensch ist alles und kann alles, denn jeder Mensch enthält in sich alles, wozu ein Mensch fähig ist,
schloss er.
Ja und ganz besonders DU, mein Liebster, erwiderte ich und dann kam es mal wieder so, wie es kommen musste.
—
Aber der jedenfalls, muss sich viel von den Leuten anhören und mir wurde ebenfalls schon immer gern gesagt, wie ich sei.
Spongebob ist scheinbar auch eine beliebte Projektionsfläche.
Das ist nicht das erste Mal, dass ihr Gleichaltrige sagen, was sie ist und sie ist erst 11.
Das hat sie, abgesehen von mannigfachen Komplimenten natürlich, bisher zu hören bekommen:
Sie ist fett und hat keine Freunde.
Sie ist paranoid.
Sie hat Probleme mit Aggressionen.
Aaaah, Spongie. Echt. Lohnt sich nicht, über so einen Mist nachzugrübeln.
Bringt auch nix, zu antworten:
Nein, bin ich nicht, nein hab ich doch, nein bin ich nicht und das auch nicht.
Sagst DU etwa Leuten unaufgefordert, wie sie sind?
Nein, sagt Spongebob.
Eben. Wir machen sowas nicht. Das ist nicht unser Stil.
WIR SIND NICHT SO, SCHATZ.
Spongeböbchen, da kann man nix machen, das wird dir noch öfter passieren. Die Leute SIND eben so.
Aber, wer glaubt, andere beurteilen zu müssen, verurteilt sich selber.
Für mich ist das mittlerweile ein ganz klares Alarmsignal:
Leute, die mir sagen wollen, wie ich bin, mit denen trinke ich keinen Bubble-Tea mehr.
Es sei denn, sie sind mega- attraktiv und umwerfend smart und sagen zu mir, ich sei mega- attraktiv und umwerfend smart.
Ich brauche das so sehr.
Denn ich bin paranoid, habe ein Problem mit Aggressionen und keine Freunde und außerdem bin ich dermaßen fett, ich bin schon dem Minion- Club beigetreten.