Geile Typen

Andere Leute sollen Probleme haben, hab ich ich gehört. Was sind Probleme? Probleme sind die Mehrzahl von Problem. Also, wenn du autistisch bist und Krebs hast und ein Bein bei einem Autounfall verloren und Steuerschulden und deswegen weißt nicht, wie du die Augen- OP deiner Katze bezahlen sollst und außerdem hat die Katze Durchfall und […]

Andere Leute sollen Probleme haben, hab ich ich gehört. Was sind Probleme? Probleme sind die Mehrzahl von Problem.

Also, wenn du autistisch bist und Krebs hast und ein Bein bei einem Autounfall verloren und Steuerschulden und deswegen weißt nicht, wie du die Augen- OP deiner Katze bezahlen sollst und außerdem hat die Katze Durchfall und das ist immer so schwierig die Katzenkacke vom Flokati zu kratzen, wenn man nur ein Bein hat.

Das sind Probleme.

Ich habe zum Glück keine Probleme.

Ich bin schön, schlank, ich habe Geld, ich bin beliebt, ich habe eine schöne Wohnung, ich wohne im Prenzlauer Berg und zwar oben drauf, an der allerhöchsten Stelle, also auf dem Prenzlauer- Berg- Gipfel, ich habe einen geilen Balkon, schöne Klamotten, also guten Geschmack, bin überdurchschnittlich intelligent, habe ein Fahrrad, ein superscharfes japanisches Küchenmesser, Kupfertöpfe, eine Spülmaschine, Haargummis, Kopfhörer, große und kleine Lampen, witzige Sonnenbrillen, usw. usf.

Also bei mir läufts rund und deswegen kann ich die Probleme anderer Leute lösen.

Also das Schicksal stellt mich immer wieder vor diese Aufgabe, die ich natürlich gerne annehme. Aber ich löse natürlich nicht die Probleme von irgendwelchen Leuten, sondern nur die von geilen Typen.

Das heißt, ich sammle emotional, psychisch und finanziell verwahrloste geile Typen in Bars meiner Umgebung ein, nehme sie mit nach Hause und päppele sie dort auf.

Das heißt, erstmal schicke ich sie unter die Dusche, danach mache ich sie mit Alkohol und Drogen sexuell gefügig, nach dem Ficken füttere ich sie, lasse sie schlafen und danach fülle ich sie wieder ab und dann gehts von vorne los. Ballern, ficken, schlafen, essen, schlafen, ficken, ballern, schlafen, ficken, schlafen, essen, ballern, schlafen, ficken, ballern, ficken, ballern, ficken, schlafen.

Wenn es dem geilen Typen dann wieder gut geht, wenn er also alles hat, was er braucht und sein einziges Problem ist, dass außer Matratze, Kühlschrank, Ballerkram und Bier dann halt auch noch ich da bin. Wenn er also anfängt, sich über den schlechten Service bei mir zu beschweren, also, dass ich beim Aschenbecher ausleeren, den halben Joint weggeschmissen habe, der da drin lag, oder, dass meine Drogen ihm in der Nase brennen oder wenn er sich am frischgebackenen, warmen Biobrot verschluckt, oder wenn er bemängelt, dass ich vergessen habe, Milch einzukaufen, oder er behauptet, dass ihm die Kombi aus meinen Kissen und meiner Matratze nicht bekäme und er deswegen einen steifen Hals bekommen hätte, also wenn er allgemein gesagt, ein bisschen mehr ekelhaft geworden ist und ein bißchen weniger geil, dann weiß ich, dass ich seine Probleme gelöst habe, dass er wieder auf dem Damm ist, also, dass es an der Zeit ist, ihn freizugeben, also ihn auszuwildern.

Dann sage ich:

„Komm Schatz, lass uns spazieren gehen.“

Während der ersten paar Schritte im Freien, klammert sich der geile Typ noch furchtsam an meinem Arm fest.

Er blickt ängstlich auf die vielen Menschen, die da draußen auf dem Prenzlauer Berg herumwimmeln und blinzelt verschreckt in das grelle Sonnenlicht.

Er hat ja die letzten Wochen ausschließlich in meinem Bett verbracht. Im ewigen Zwielicht meines Schlafgemaches, im ewigen Dämmer hinter den geschlossenen lichtschluckenden Vorhängen, bei gekippten Fenstern und Schnäpsen.

Nach ein paar Metern, spätestens an der nächsten Ecke, nimmt er die neue Umgebung aber ganz gut an.

Der verschwitzte Griff um meinen Oberarm lockert sich, sein Rücken strafft sich, sein Angstschweiß verdunstet, und wenn wir an der großen Straßenkreuzung angekommen sind, wo sich die Autos in alle vier Himmelsrichtungen bis zum Horizont hin stauen, streckt er glücklich die Glieder.

Starrt er auch nicht mehr mit glasigem Blick ins Leere, sondern fokussiert wieder, auf eine Brünette mit dickem Po, eine Blondine ohne BH und nun kann ich endgültig sicher sein, dass nun der Moment gekommen ist, Abschied zu nehmen.

Weiß ich, dass ich ihn beruhigt verlassen kann, dass seine Probleme gelöst sind, dass er seinen Weg nun ohne mich weitergehen kann.

“Warte hier mal kurz, ich muss schnell zur Bank, Geld abheben.” sage ich jetzt, werfe ihm noch eine letzte Kusshand zu und gebe Fersengeld, verschwinde in der Menge, lasse den geilen Typen an der Ampel in der Sonne stehen.

Hakenschlagend im Hopserschritt cruise ich heim, zurück in meine Bude. Vorhänge auf, Fenster auf, Staub saugen, Bett abziehen, Wäsche waschen, Wanne putzen, duschen, atmen, telefonieren, mich nicht sorgen, leben, einschlafen, aufwachen.

Dann stehe ich auf und gehe raus und lerne wen kennen und denke, geil, endlich ein Mann, aber dann ist das doch wieder einfach nur ein geiler Typ.

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