Ein Satz aus dem neuen Stuckrad- Barre- Roman ist mir im Gedächtnis geblieben und zwar trotz seiner Kompliziertheit dermaßen wortwörtlich, dass ich ihn hier wiedergeben kann, ohne ihn extra noch einmal nachzuschlagen. Es handelt sich um die Frage, die der Protagonist sich auf Rat seines Therapeuten zur Entscheidungsfindung in prekären Situationen stellen soll:
“Inwieweit unterstützt (oder behindert) Ihr Vorhaben Sie in Ihrem Bemühen abstinent zu bleiben?”
Schauderbar eigentlich, wenn das schon das einzige Lebensziel ist: Abstinent bleiben.
Also, wenn der Sinn des Lebens nicht mehr darin besteht, glücklich zu sein, oder wenigstens im sozialen Bereich wertvoll zu erscheinen, sondern die Abstinenz Ziel des menschlichen Strebens ist und damit zugleich der Grund, weswegen die Mutter einen unter Schmerzen gebar.
Aber es ist ja nur ein Buch und es ist ja auch nur ein Satz aus demselben und auch nur ein Satz, der MIR im Gedächtnis geblieben ist. Wahrscheinlich weil ich mir die Frage jetzt auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit stelle, obwohl es doch immer noch leider gar nicht mein Lebensziel ist, abstinent zu bleiben.
“Ich betrinke mich, weil ich nur dann den Mut habe, mich umzubringen.” erzählte mir neulich jemand, als wir uns zusammen ein wenig betranken.
Aber es gibt auch andere Selfcare- Strategien:
Zuhause aufräumen, putzen und so weiter. Das geht übrigens tausendmal besser, wenn man dabei quasi nackt ist, also nichts weiter als sexy Unterwäsche trägt. Einfach, weil es sich dann irgendwie erotisch anfühlt, neben dem Eimer mit lauwarmem Wasser, auf Knien den Flurboden zu schrubben.
Bei Depressionen empfiehlt es sich, in Absatzschuhen ums Karree zu gehen. Je höher der Absatz, desto besser. Jeder Schritt ist dann ein Abenteuer, jede Bewegung erfordert Achtsamkeit. Nicht umknicken, Knie heben, Rücken gerade halten, kleine Schritte machen, normal wirken, langsam gehen. Alle Aufmerksamkeit braucht man für Muskelkoordination, Gang und so weiter, so viel, dass für irgendwelche anderen oder gar finstere Gedanken einfach überhaupt keine Kapazitäten mehr übrig bleiben. Da ist man sofort im Moment, ist man sofort komplett achtsam, einfach nur am Gehen und Atmen und gut ist.
Warum schreibe ich das. Einfach nur weil es wahr ist.
Aber hilfehilfehilfe, ich will nicht rüberkommen, wie so ein Pick-Me-Girlie. Ich hasse diese Leute, die vordergründig sexy sein wollen.
“Vielleicht sollten wir einen Wet- T- Shirt- Contest machen, dann kämen mehr Leute zur Lesung.” sagte mal eine Kollegin zu mir, nachdem wir gerade vor vollem Saal gelesen hatten und ich dachte, genau darum will ich keine Lesungen mehr machen, weil man sich danach immer mit den Kollegen unterhalten muss. Ich will mich nicht mit Kollegen unterhalten und das Leute kommen erst recht nicht.
Ich will eigentlich überhaupt gar nicht mehr öffentlich auftreten, weil es ja nie dabei bleibt. Sondern man muss auch noch immer fotografiert werden und zwei Tage später wird man dann auf dem Bild markiert und bei Facebook hochgeladen, oder sogar schon vorher und nach der Lesung fragen einen die Leute, ob das autobiografisch gewesen sei, was man da vorgelesen hat und so weiter.
Und manchmal frage ich mich, was ich überhaupt noch machen will, weil ich doch am liebsten im Bett liege, um ehrlich zu sein.
Im Bett liegen und mit meinem Freund kuscheln und abstinent bleiben und weiter nix.
2 Kommentare
KommentierenDu hast vergessen zu schreiben, dass du am 2. Juli bei der Reformbühne Heim & Welt auftrittst, Open-Air, in der FIT-Tankstelle, samt anschließender Unterhaltungsrunde mit Kolleginnen und Kollegen (verpflichtend!).
oh yeah! und ich freu mich drauf!