“Jeder hat Fehler, niemand ist perfekt. Aber wenn einer ignorant, kleinlich, untreu, besserwisserisch und voller Selbstmitleid ist, dann sollte er nicht auch noch drogensüchtig, unzuverlässig, dauerpleite und impotent sein.”
Sagte ich zu Mutter, als sie nach dem Grund fragte, warum ich nicht mehr mit dem netten jungen Mann abhänge, der mich neulich begleitet hatte, als ich mit ihr im Restaurant war.
Sie fand meine Theorie des Ausgleichs interessant. So hatte sie das nie gesehen, gab sie zu. Sie hätte in ihren Beziehungen immer alles auf einmal gewollt. (Und nicht bekommen.)
Ich hingegen glaube mittlerweile, alles geht, es muss sich eben gegeneinander ausgleichen.
Also:
Wenn er gut aussieht, kochen kann, handwerklich begabt ist und mir absolut treu ergeben, braucht er im Gegenzug nicht besonders helle, witzig, sexbesessen oder wohlhabend zu sein.
Bzw.:
Wenn er gut aussieht, gebildet ist, Humor hat, mich ständig knuddeln will und er mich von Herzen liebt, braucht er nicht auch noch treu, ordentlich oder reich zu sein.
Und so weiter. Ich denke das Prinzip ist klar.
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In dem heiteren Urlaubsroman, den ich neulich während eines heiteren Urlaubs im Bücherregal des Gastgebers fand, erwähnt die Protagonistin in einem Nebensatz, dass sie dabei sei, in “das Alter” zu kommen, womit sie das Rentenalter meint.
Wie kann sie das sagen, dachte ich, denn der Roman handelt von ihren Querelen während eines Pauschalurlaubs mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern auf einer Mittelmeerinsel. Wieso redet sie denn da plötzlich vom Altwerden? Und das auch noch einfach so in einem Nebensatz, als wäre gar nichts dabei und ohne das anschließend weiter auszuführen, geschweige denn jemals wieder darauf zurückzukommen.
Wenn ich plötzlich der Meinung wäre, ich sei am Altwerden, dann wäre das für mich dermaßen katastrophal, dass ich das entweder keinem sagen würde, oder das ganze Buch sich nur um diese Feststellung drehen würde.
Aber in dem Roman ging es nicht darum, dass die Protagonistin sich alt und hässlich fühlt, sondern nur um rein praktische Probleme, die sich für die Geplagte und ihre Familie aus der Auswahl von Urlaubsort, Flug, Mietwagen, Hotel, Hotelzimmer, Essen und Getränken ergeben. Und allerlei durch Hitze, Zimmernachbarn, Tischnachbarn, Insekten und entstehenden Unbill.
Krass, dachte ich.
Für die ist es schlimmer, dass sie sich auf dem Hinweg zum Hotel verfahren, oder dass es zwischendurch kurz mal regnet, als dass sie im Begriff ist, Jugend und Schönheit für immer zu verlieren, von ihrem Mann nur noch als nerviger Gegenstand betrachtet und wahrscheinlich demnächst verlassen zu werden und sehr bald zu sterben.
Aber, dachte ich weiterhin, so wie es Übersprungshandlungen gibt, gibt es wohl auch Übersprungsdramen.
Dramen, die eine aus dem Nichts heraus kreiert, um sich nicht dem echten Problem, ihrer eigentlichen Angst stellen zu müssen.
Denn natürlich hat die Protagonistin Angst vor dem Alter, ihrem Mann, oder dem Tod. Diese Angst trieft aus jeder Zeile des heiteren Urlaubsromans.
Ganz besonders an den Stellen an denen sie betont, wie sehr sie ihren gutaussehenden charmanten Mann liebt, der sie im übrigen entweder ständig für ihre Entscheidungen bezüglich Urlaubsort, Mietwagen, Hotel, Hotelzimmer etc. kritisiert, oder großzügig so lange nichts sagt, bis wieder was schiefgeht und er dann mit den Augen rollen und ihr einen Spruch drücken, oder es großzügig unterlassen kann.
Weil er sich ja sowieso nur ihr zuliebe, trotz aller seiner vielen und wichtigen und eigentlich unaufschiebbaren Arbeit, auf diesen Urlaub eingelassen hat. Als ob Urlaubsreisen mit Mann und Kindern nur die spleenige Marotte einer durchgeknallten Alten seien, die nur stattfinden, weil man eben ein unfassbar lieber Ehemann ist.
Weswegen sie alles allein organisieren musste. Aber sie ist trotzdem nicht die Chefin, sondern ihrem Mann und allem anderen komplett ausgeliefert.
Aber ich rede zu viel von diesem Roman, den ja garantiert niemand der dies hier liest, gelesen hat und den ich nur deswegen lese, weil ich die Autorin und ihren Mann kenne und weswegen ich nicht verraten kann, wie er heißt, der Mann, äh Quatsch, der ROMAN.
Ich erwähne den auch nur wegen dieses Nebensatzes.
Weil ich an den denken musste, als ich vom Einkaufen zurückkam.
Also nicht speziell an den Nebensatz wegen des Altwerdens, sondern überhaupt an Nebensätze. Also, dass manche Leute den krassesten Scheiß als wär nix, einfach so mir nichts dir nichts in Nebensätze packen, als wäre gar nichts dabei und ohne das anschließend weiter auszuführen, geschweige denn jemals wieder darauf zurückzukommen.
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Ich hatte Blumenerde gekauft und trug die sauschwere Packung unter dem einen Arm. Auf dem Rücken trug ich den Rucksack mit der Milch, dem Brot, der Marmelade, dem Käse und den anderen Sachen. Mit dem anderen Arm presste ich die beiden Töpfe mit den Pflanzen (Monstera und Aloe) an meinen Körper und das Netz mit den 1,5 kg Orangen.
Ja, ich hatte zuviel eingekauft und ich schleppte mir einen Wolf und ging also sehr langsam und um mir die Schlepperei zu erleichtern, spitzte ich die Ohren. Denn hinter mir gingen zwei Frauen und die unterhielten sich miteinander. Dachte ich zuerst, aber dann stellte sich heraus, es war nur eine Frau und die war am Telefonieren. Sie sagte:
“Hallo, schön Dich zu hören, Maus. Ja, danke, ja bin wieder da. Ja war schön. Haben schön gefeiert. Sogar mit Ballonfahrt. Haha ja, echt schön. Wir hatten richtig gutes Wetter.”
Und so weiter und so weiter. Kuchen, Kaffee, Wetter.
Eine Ballonfahrt!
Wenn ich je eine Ballonfahrt gemacht hätte, würde ich ausführlicher davon erzählen, dachte ich. Ich würde ein so krasses Erlebnis wie eine BALLONFAHRT niemals einfach so mir nichts dir nichts in einen Nebensatz packen, als wäre gar nichts dabei und ohne das anschließend weiter auszuführen, geschweige denn jemals wieder darauf zurückzukommen, dachte ich.
Es gibt ja so Leute, dachte ich und gerade DIE sind es, die oft die größten und weitesten Reisen unternehmen.
Leute, die egal, was sie tun, oder egal wo sie hinfahren, eigentlich nie irgendetwas erleben, merken, mitkriegen, sehen, oder fühlen.
Also für die ist alles eins, ob die nun Bungeejumping machen, oder Sadomaso- Sex haben, oder Chemotherapie kriegen, oder Kinder, oder den Himalaya besteigen, oder bei Rossmann einen Toaster kaufen.
Immer werden die das nur einfach so mir nichts dir nichts in einen Nebensatz packen, als wäre gar nichts dabei und ohne das anschließend weiter auszuführen, geschweige denn jemals wieder darauf zurückzukommen.
Oder höchstens dazu sagen, wie das Wetter und das Essen waren, oder was es gekostet hat.
“Bin seit gestern zurück, waren spontan auf den Fidschi- Inseln, Wetter ging so, Essen hätte besser sein können, aber für den Preis ok, war schön gewesen, ja, muss jetzt noch schnell zur Post, Zalando- Bestellung abholen, bis späti.”
Dann war ich vor meiner Haustür angekommen und stellte die Blumenerde ab, um einen Arm zum Aufschließen frei zu haben und ich wollte mich nach ihr umdrehen, denn ich wollte wissen, wie sie aussieht, aber dann öffnete sich ein Wurmloch und ich sauste durch bis an die Grenzen unseres Universums und begegnete dort Gott und er erklärte mir alles und die ganzen Zusammenhänge und danach hatten wir spontan Sex.
War nice. Sonnen schienen, Winde wehten und dann bin ich durchs Wurmloch wieder zurück und kam pünktlich an, sogar eine Millimillimillisekunde vor dem Moment meiner Abreise.
Also ich stand wieder genauso wie vorher vor der Haustür und suchte nach meinem Schlüsselbund und jetzt ging die Ballonfahrerin vorbei ich konnte endlich sehen, wie sie aussieht und dann habe ich meinen Kram nach oben geschleppt.
1 Kommentar
KommentierenDu hattest Sex mit Gott? Und das schreibst du mal eben so in einem Nebensatz? Könnte ich nicht.