Ich war beim Sport, es lief gut. Ich kam teilweise sogar höher rauf und tiefer runter, als die Konkurrenz.
Danach sind wir direkt ins Dings getaumelt, meine Freundin und ich. Ohne Duschen und Umziehen, weil sie meinte, dass wir die vollgeschwitzten Sportdresses ja sowieso gleich vollqualmen und genau so wars dann.
Wir hatten in Nullkommanix vier Wodkatonic geext und es war kurz vor Mitternacht und ich dachte:
Sport ist so geil, ich kanns kaum erwarten, ihn wieder zu machen.
Es ist immer dasselbe, ich komm schwer in die Gänge, aber wenn ich erstmal angefangen habe, kann ich einfach nicht aufhören.
Meine Freundin war müde und ging nach Hause, aber ich bestellte mir noch einen oder zwei, weil ich ins Gespräch kam und ab da habe ich aufgehört, zu zählen, es verschwimmt alles.
Es war wie immer, total funny.
Die konnten ihr Glück gar nicht fassen und ich hab mich auch gefreut. Das waren okaye Typen.
Ich habe an den beiden keine besonderen Komplexe oder seelischen Schäden bemerkt.
Die haben nicht mit irgendwas gehadert oder sich wegen irgendwas zermartert oder sich über ihre Probleme definiert.
Weswegen ich dachte:
Sieh an, sieh an. Die sinds jetzt nicht, aber die Richtung stimmt schon mal.
Ganz normale Typen, aber trotzdem nicht übertrieben langweilig. Sogar witzig manchmal.
Der eine fragte mich, ob ich auf der Suche sei.
Nein, sagte ich. Ich recherchiere.
Und dann redeten wir übers Oktoberfest und den Kölner Karneval und über Berlin in den 90ern und Tinder und Sex und andere normale Sachen und es kann sogar sein, dass der eine von den beiden schonmal ein Buch gelesen hat und der war aber trotzdem kein Möchtegern – Genie- Darsteller, der jedesmal, wenn man irgendwie auf den Ukrainekrieg kommt, ein seriöses Schnütchen zieht und mit sonor gepresster Stimme, auch die „Rolle des Westens” zu bedenken gibt.
Nein, meine Gesprächspartner und auch Tischgenossen an diesem Abend, waren stabile SPD- Wähler.
Gefestigte, verantwortungsbewusste Repräsentanten der bürgerlichen Mitte, ohne sich jetzt als übertrieben politisch korrekt zu outen oder gar auffälligst herumzugendern. Oder noch schlimmer, sich über irgendwelcher Leute Herumgegendere zu erregen, beispielsweise. Nichtmal der ödeste aller Themenkreise, also: Serien, Lieblingsserien, Netflixserien, amazon prime, Disneyplus etc. pp. kamen zur Sprache. Es war zu schön um wahr zu sein, fast wie im Himmel, eigentlich.
Ich hatte da einfach so, ohne es da irgendwie drauf angelegt zu haben, ganz normale angenehme Typen meines Alters kennengelernt.
Nicht besonders grau, nicht besonders fett, nicht total kaputt und mit höchstwahrscheinlich komplett intakter Nasenscheidewand, sowie ungepfändeten Bankkonten.
Selbstständige, frischgeschiedene Entrepreneurs, die sich trotzdem nicht verkommen lassen und sich weiterhin jeden Morgen rasieren, frische Kleidung anziehen und in die Firma gehen.
Während um die gleiche Zeit, vielleicht sogar direkt nebenan, Männer im gleichen Alter, die anstatt ihren Shit geregelt zu kriegen, mal wieder durchgemacht haben.
Männer, die mit dem letzten Rest Koks, Keta, Primitivo, erst vier Stunden Hitlerdokus, dann drei Stunden Lesbenpornos durchgebinged haben.
Und nun hinter dunklen Vorhängen, von stundenlangem ergebnislosen Wichsen entkräftet zusammenbrechen und in reglosen Dornröschenschlaf fallen.
Um 13:30 Uhr schrecken sie zitternd hoch, wenn der Gerichtsvollzieher zweimal klingelt.
Sinken in die Kissen zurück, liegen wieder in genau der gleichen Haltung, verkrampft in der Kuhle. Rücklings im nassgeschwitztem verknäulten verrutschten Bettzeuglakenklump.
Haben immer noch den wundgeriebenen Schwanz in der Faust und die Hand auf der Maus.
So verharren sie starr, sind nicht zu Hause.
Bis das Klingeln aufhört.
Bis Schritte sich entfernen, das Haustor ins Schloss fällt, Stille einkehrt.
Dann wird die Maus bewegt, springt der Rechner an, geht die Action weiter.
Ausgeschlafen und entspannt dauerts dann auch nicht mehr lange.
Klappt es endlich mit dem Abspritzen.
Aber ich schweife ab.
Also, es war Nacht und brachten mich zum Reden und stellten mir seltsame Fragen und ich quasselte freigeschaltet auf Autopilot, so dies und das und jenes und die fanden das witzig, oder mich witzig, oder sweet und sowas braucht man ab und zu, als Frau.
Alles war wie immer, weil ich mittlerweile schon wieder dauernd in dieser Kaschemme lande. Ich zähle schon gar nicht mehr mit, wie oft ich in der letzten Zeit schon wieder hier war.
Ob dreimal oder fünfmal, siebenmal?
Das ist am Verschwimmen. Wenn ich nicht aufpasse, fragen sie beim nächsten Mal gar nicht mehr, was ich will, sondern stellen mir das Glas direkt hin.
Das ist so, wie wenn man mit jemandem in eine Geschichte reinrutscht.
Am Anfang weiß man ganz genau, wie oft man schon mit dem geschlafen hat.
Und irgendwann weiß man nicht mehr, ob das jetzt das siebte, achte, oder gar das neunte Mal war und ab da verschwimmt das und man hört auf, mitzuzählen.
Beim Sport war ich dieses Jahr auch schon fünf oder sechs Mal und ich werde mich sofort wieder komplett auspowern, wenn ich wieder laufen kann.
Denn wenn ich so viel Sport mache, dass es verschwimmt, also ich aufhöre, mitzuzählen, dann bin ich irgendwann topfit.
Und sogar das Gegenteil von verschwommen, nämlich komplett durchdefiniert.