Das schwarze Prisma

Er sei immer den Weg des geringsten Widerstandes gegangen, vertraute er ihr an. 

Fünf Sprachen, vier Theaterstücke, drei Doktortitel, zwei Jobs, ein Roman. 

Aber nichts schmerzt süßer, nichts brennt schöner, als das Salz der unangebrachten Selbstzweifel, welches man sich vor den Augen einer begehrten Frau, sorgsam in die vom schalen Erfolg perforierte Aura streut.

Diesen Weg geht und ging sie auch schon immer am liebsten entlang und zwar dermaßen gern, dass es immer schwerer wird, sie davon abzubringen. Sie geht -komme was wolle- und gegen alle Widerstände, zunehmend unbeirrt den Weg des geringsten Widerstands. 

Und manchmal nicht mal das. 

Das heißt, wenn sie sonntags zu verkatert zum Wege des geringsten Widerstandes gehen- also zu verkatert um Aufzustehen ist, bleibt sie liegen und schaltet Eurosport ein. 

Da legen sie sich ins Zeug, da übertragen sie live.

Da gehen sie den Weg des geringsten Widerstandes. Und zwar um die Wette!

Rasen auf gewachsten Brettern in gewagtem Schwung so schnell wie möglich steil bergab.  

Riesenslalom Ski- WM der Damen! 

Zwischendurch zeigt man Werbespots für Vitaminpillen, Fußmassagegeräte und “Europas beste Matratze”. 

Die wissen bei Eurosport nämlich ganz genau dass nur die Langsamen den Schnellen zusehen. Dass nur Senile und Instabile sich das zu Gemüte führen, wer hier live am schnellsten skatet.

Aber sie kasteit sich nicht. Sie ist happy und der Bildschirm ist flach und die Matratze ist dick und ihr Strumpfband ist los, es ist los, es ist los und sonst gar nichts.

Als sie wieder aufwacht, ist immer noch nichts los, außer Biathlon der Herren auf Eurosport auf dem Flachbildschirmgerät.

Da durchfährt sie ein Gedanke wie ein Blitz. Sie hat eine Offenbarung. Angesichts diesen Vorkommnisses wird ihr klar, dass auch der Strom, demzufolge die Gedanken, demzufolge auch die Offenbarungen stets den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Ist der Weg zu kurz, dann kommt es zum Kurzschluss und dann blitzt es.

Jedoch zum Weitergrübeln ist keine Zeit. Drinnen blitzt es, aber draußen scheint die Sonne.

Denn dieser Text wurde an einem Sonntag vor zwei Wochen geboren, an einem Sonntag vor einer Woche weiterentwickelt, am heutigen Sonntag irgendwie auf dem Weg des geringsten Widerstandes fertig gemacht. 

Und jetzt ganz was anderes.

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