Das Betreten der Eisflaeche in Strassenschuhen ist nicht gestattet

Der Himmel war und blieb dunkelgrau an diesem Sonntag und es war bitterkalt und die Luft war feucht und das war kein Wetter, sondern ein persönlicher Angriff. 

Aber meine Laune war nicht nur deswegen schlecht. 

Ich hatte die ganze Nacht kaum schlafen können, weil ich den Kindern versprochen hatte, mit ihnen Schlittschuhlaufen zu gehen, und zwar im Sportforum und das hatte aber nur Sonntagvormittag geöffnet, von 10:30 bis 12:30, warum auch immer. 

Das bedeutete, wir würden Sonntag früh um neun aufstehen müssen, um dann pünktlich 10:30 dort zu sein. Aber am liebsten eigentlich früher, weil da bestimmt eine Schlange stehen würde und bis man dann die Schlittschuhe ausgeliehen und an den Füßen hat, dauert das und dann machen die doch aber gleich wieder zu und das wär ja dann schade und so weiter. 

Samstagabend war ich aber trotzdem kurz draußen gewesen, nur um die Ecke bei Freunden, obwohl ich da auch schon schlechte Laune hatte, oder genau deswegen. 

Aber genau deswegen, bin ich ja kurz zu meinen Freunden gegangen, weil ich dachte, ich kann mich doch nicht wochenlang nur vergraben, wie soll es mir denn da jemals besser gehen, ich muss doch auch mal raus, soziale Kontakte und unter Leute und auf andere Gedanken kommen, anstatt immer nur am Trübsal blasen zu sein.

Und auch weil der Dings da war, bin ich hin und der ist immer nur kurz in der Stadt und das muss man nutzen, weil ich mag den gern sehen und kurz mit ihm reden, einfach, weil der so ein schöner Mensch ist und deswegen bin ich da kurz hingegangen, als die Kinder im Bett waren und das war auch voll nett und gut und schön, aber ich war dann eben auch betrunken, obwohl ich nur zwei Stunden bei denen gewesen war. 

Und ich war darum auch noch nicht müde und bin dann noch kurz an den Rechner und dann war es eben schon 3, als ich endlich im Bett lag und dann konnte ich nicht schlafen, weil ich dachte: 

Mist, ich muss morgen früh um neun aufstehen, das ist ja schon in 6 Stunden und ich werde total müde sein und verkatert auch noch und mir ist irgendwie schlecht und ich bin am Schwitzen, warum schwitze ich so, ich liege doch einfach nur im Dunkeln im Bett, vielleicht ist das ja Krebs und vielleicht sollte ich das mal googeln, aber lieber nicht und es ist kalt draußen und das wird bestimmt superstressig nachher mit dem ÖPNV zu der Eislaufbahn hinzufahren und da auch noch pünktlich sein zu müssen und wir müssen ja vorher auch noch frühstücken und ich muss Picknick und Wasser einpacken und das im Rucksack mitnehmen und dann werde ich die Kinder antreiben müssen, damit sie sich beim Anziehen beeilen, weil die ja im Grunde auch so krasse Langschläfer sind wie ich und wieso müssen wir überhaupt so früh dorthin, kann man das nicht verschieben und dann habe ich im Dunkeln noch mal kurz aufs Handy geschaut und da stand, dass die auch nachmittags von 15-17 Uhr aufhaben, das hatte ich vorher gar nicht gesehen und ich dachte: 

Cool, dann können wir ja einfach erst nachmittags dahin gehen und ich muss morgen früh, also gleich, nur der Mutter von der Freundin meiner Kinder schreiben, ob das für sie auch ok wäre, sich da erst am Nachmittag zu treffen, aber nicht jetzt, ich kann der das nicht nachts um drei schreiben, sonst denkt die, ich bin im Berghain und ruft beim Jugendamt an. 

Obwohl, -dachte ich, anstatt schleunigst einzuschlafen-

Das wird für die bestimmt nicht ok sein, das Eislauftreffen auf den Nachmittag zu verschieben, weil die hat ja überhaupt keine Probleme damit, früh aufzustehen und die ist am Sonntagnachmittag bestimmt schon anderweitig verplant und die wird denken, ich will das nur verschieben, weil ich gerade im Berghain bin und die wird denken, dass ich dann am Nachmittag auch nicht kommen werde und ich mir eine andere Ausrede ersonnen haben werde, wenn es so weit ist, so wie ich die einschätze, wie sie mich einschätzt, dachte ich. 

Egal. 

Ich denke ja nur, dass die das denkt und wie gesagt, es ist mir sowieso egal, was die von mir denkt, dachte ich. 

Und wenn das mit dem Verschieben nicht klappt, dachte ich, dann kriege ich das trotzdem schon irgendwie hin, ich bin doch nicht bescheuert, ich werde doch mit meinen Kindern am Sonntagvormittag Schlittschuhlaufen gehen können und ich kann ja auch danach Mittagsschlaf machen und die Kinder werden nichts dagegen haben, dass ich nach dem Schlittschuhlaufen Mitagsschlaf mache, weil die dann ja auch groggy sein werden, vom Schlittschuhlaufen. 

Irgendwie bin ich dann endlich eingeschlafen, aber früh um sechs legte sich meine Tochter Patrick neben mich ins Bett und ich erwachte mit panischem Herzrasen aus üblen Träumen und dachte:

Bis 9 sind es noch drei Stunden, ich schwitze und ich habe Angst und mir ist schlecht und ich habe schlechte Laune und ich fühle mich elend und einsam und meinen Aufgaben null gewachsen und ich kann mich nicht bewegen und erst recht noch nicht jetzt und sie wird ja wohl nicht sonntag früh, um sechs Uhr morgens aufstehen wollen. 

Aber Patrick schlief nicht wieder ein. Sie war ganz still und atmete leise neben mir vor sich hin und man merkte aber an der Art, wie sie atmete und sich bewegte, dass sie hellwach war und warum auch nicht. 

Im Zimmer war es noch komplett dunkel, aber es war ja trotzdem schon morgens und ich versuchte zuerst, sie zu ignorieren und einfach unruhig und panisch weiter die Augen geschlossen zu halten, in echsenhafter Starre, in der Hoffnung auf die Art irgendwie wieder einschlafen zu können, in dem ich meine Atemzüge verlangsame. Einfach bis acht zählen und dabei einatmen, bis fünf zählen und dabei den Atem anhalten, bis zehn zählen und dabei ausatmen, oder wie ging das und durch die Nase ein und durch den Mund aus und nicht umgekehrt und gleich nochmal von vorne, bitte. 

Aber das klappte nicht, weil ich nicht schlafen kann, wenn Patrick so wach und still und rücksichtsvoll neben mir liegt und ich muss gar nicht hinsehen, um zu wissen, dass sie mit ihren riesigen Augen in die Dunkelheit starrt und worauf wartet sie, woran denkt sie in solchen Momenten und was will sie, was kann ich für sie tun.

Ich fragte sie, ob sie Hunger hat und Frühstück haben will, heiße Milch mit Honig, oder Kakao und ich dachte:

Wenn ich ihr Frühstück mache und ihr danach erlaube, sich in ihrem Zimmer was auf ihrem Ipad anzusehen, kann ich ja trotzdem noch schnell bis neun weiterschlafen, um dann total fit wie ein Turnschuh aus dem Bett zu springen, zu allen Schandtaten bereit, als Energiebündel auf 180.

Aber Patrick sagte, nein, sie will kein Frühstück und auch nicht aufstehen und ich sagte, ja gut, aber dann schlaf doch bitte einfach weiter, es ist noch ganz früh und ich bin noch total müde und Patrick sagte, ja gut. 

Aber sie schlief nicht, sondern sie war wach und atmete wach und bewegte sich wach und starrte mit ihren riesigen Augen in die Dunkelheit und ich befühlte ihre Stirn und die kam mir etwas heiß vor und ich fragte Patrick, gleichzeitig besorgt und hoffnungsfroh, wie ich gestehen muss, ob sie sich vielleicht krank fühlt.

Weil ich dachte, das wäre perfekt, wenn sie krank ist, dann kann ich die ganze Schlittschuhlauferei absagen und verschieben und zwar mit absolut gutem Grund und wir können den Sonntag einfach zu Hause bleiben und in der Wohnung rumgammeln. 

Aber Patrick meinte, es geht ihr gut und ich fragte, warum sie dann nicht einfach weiter schläft, oder aufsteht und sie meinte:

“Ich weiß nicht.” und sie klang ein bisschen traurig und ich sagte: “Hey, macht doch nichts. Sicher, dass du kein Frühstück willst?” 

Und sie meinte: “Nein danke.” 

Und so ging das weiter, bis ungefähr um Acht und dann schlief sie ein und zwar fiel sie in einen absoluten Tiefschlaf und ich griff zum Handy und verschob die Weckzeit von neun auf halb zehn und schrieb außerdem eine Nachricht an die Mutter der Freundin, ob wir uns auch nachmittags zum Schlittschuhlaufen treffen könnten und dann machte ich Insta auf und sah, dass mein Exlover schon wieder alles von mir geliked hatte und meine Stories angesehen hatte und ich dachte, was soll das und dann schrieb ich eine Nachricht an ihn, obwohl ich ihn vor ein paar Wochen, wegen seiner schlechten Manieren abgeschossen hatte.

Und ich wusste, dass es ein Fehler ist und ein Rückfall in alte Muster und nicht ok von mir und dass das nichts bringt und ich nichts mehr von ihm will, aber in diesem Moment war mir dermaßen elend zumute, dass ich dachte, egal was solls, wenn er mich auf Insta stalkt, dann steht es mir frei, zu ihm zurückkehren zu wollen, wenn ich einen schwachen Moment habe.

Ich wollte mich einfach asap kraftlos und sinnlos in seine Arme werfen und sonst gar nichts und danach kann ich ihn ja sofort wieder abschießen, dachte ich, lass mich doch, ist doch egal, sagte ich zu meiner mahnenden inneren Stimme.

Halt die Klappe, na und wenn schon, sagte ich zu ihr, es sind finstere Zeiten, da muss man halt und warum denn nicht und ich habe keine Lust mehr und ich will aber und dieser Loser ist selber dran schuld, genau das will er doch, die Sache am Köcheln halten, wenn er mich auf Insta stalkt, nachdem ich ihn abgeschossen habe, weil er zu mir gesagt hat, ich soll ihm meine Verlustängste nicht so zeigen, dabei habe ich ihm meine Verlustängste gar nicht gezeigt, weil ich nämlich keine habe und das habe ich ihm dann eben direkt bewiesen.

Ich sollte das alles nicht so ernst nehmen, dachte ich also und er ist ja selber schuld, wenn er mich auf Insta stalkt, also genau das will er doch und dann bekommt er es eben und ich fühle mich gerade so mies.

Darum schrieb ich ihm sonntagfrüh um acht, eine psychisch kranke Nachricht und schickte sie ab. Eine Nachricht, in der ich alles zurücknahm und behauptete, ich hätte es nicht so gemeint und ich hätte solche Angst ihn verloren zu haben und ich ihn um ein Treffen anbettelte, weil es mir seither doch so elend ginge, ohne ihn. 

Ich schrieb die Nachricht und schickte sie ab und währenddessen rannen süße Tränen des Selbstmitleids über meine Wangen und dann schaltete ich den Handyton aus und legte das Telefon weit weit weit weg und ich entspannte mich, weil ich mich so dermaßen hatte gehen lassen und mir tat das in dem Moment ganz gut und deswegen fiel ich endlich in tiefen wohligen Schlaf.

Aus dem mich wenig später Spongebob mit der Frage riss, ob wir nicht bald losgehen müssen? Also sie stand im Zimmer und jetzt musste es sein.

Ich stand auf und sagte mir, das mit dem Schlittschuhlaufen darf ich jetzt nicht vermasseln, weil ich es den Kindern versprochen habe und die sich drauf freuen und besonders Patrick liegt mir damit seit Wochen in den Ohren, weil sie nämlich noch nie schlittschuhlaufen war.

Wegen der Pandemie ist ihr ja so einiges entgangen, was zu einer normalen Kindheit dazugehört und es ist meine Pflicht als Mutter, das jetzt durchzuziehen und da jetzt nicht zu versagen und ich setzte mich an den Rechner, um die Onlinetickets fürs Schlittschuhlaufen zu buchen. 

Weil ich auch noch nichts von der Mutter der Freundin der Kinder wegen meines Terminverschiebungsvorschlags gehört hatte und der Loser hatte mir auch noch nicht zurückgeschrieben.

Aus irgendeinem Grund verlangte die Sportstätte das, Onlinetickjets im Voraus und Spongebob fragte, warum ich das nicht schon gestern oder vorgestern gemacht habe und ich erwiderte, wieso denn, ich buche doch nicht tagelang vorher Onlinetickets fürs Schlittschuhlaufen, es kann doch immer irgendwas dazwwischenkommen. 

Aber eine Stunde vor Öffnung der Eisbahn, gab es keine Onlinetickets mehr.

Alles war ausgebucht und übrigens auch für den Nachmittagsslot und ich frohlockte grenzenlos, weil damit fiel der ganze Plan ja flach und ich rief die Mutter der Freundin an und sie hatte zum Glück auch keine Onlinetickets im Voraus gebucht und wir berieten, was nun zu tun sei und ob man nicht einfach so hinfahren kann.

Aber das sei zu riskant, denn die Eisbahn war zwar nicht sehr weit, aber auch nicht gerade um die Ecke und wir wollten bei dem miesen Wetter mit den enttäuschten Kindern nicht umsonst dastehen und uns sagen lassen, sorry, die Bahn ist voll, wir hätten online Tickets buchen müssen.

Ich rief bei der Eisbahn an, um herauszufinden, ob man ohne Tickets dahin kann, aber da ging natürlich keiner ans Telefon, weil es ja noch außerhalb der Öffnungszeiten war. Trotz meiner Telefoniererei im selben Zimmer schlief Patrick immer noch tief und fest.

Ich telefonierte mit der Mutter der Freundin und sie schlug vor, auf eine andere Eisbahn zu gehen, die in Schluckewitz sei auch ganz nice und die macht um 12:30 auf und ich sah nach und stellte fest, dass die zwar weit weg ist, aber ich mit dem ÖPNV von mir aus nur 40 Minuten dorthin bräuchte, also verabredeten wir uns dort für 13 Uhr.

Es war dann trotz des Zeitaufschubs wie erwartet, nicht ganz einfach für uns, pünktlich von zuhause loszugehen, aber wir schafften es, aber als wir auf dem S- Bahnsteig standen, fuhr uns die S- Bahn vor der Nase weg und normalerweise wäre das kein Problem gewesen, weil die nächste zehn Minuten später gekommen wäre, aber die nächste und die übernächste fielen aus, wegen “Störungen im Betriebsablauf” so stand es auf der Anzeigentafel und das ist ja neuerdings der Normalfall in Berlin, also fuhren wir irgendwie anders und kamen dann eine halbe Stunde später beim Eislaufen an, als verabredet und die Mutter der Freundin schickte vorher die ganze Zeit Nachrichten, wo wir bleiben, weil die war natürlich pünktlich da, weil sie erstens vom Typ her viel ordentlicher als ich ist und zweitens einen Führerschein plus Auto hat.

Als wir endlich ankamen, war da eine Schlange, aber nicht so lang wie befürchtet. Allerdings war die Eisbahn außerordentlich klein und die Preise außerordentlich hoch.

Das hatte ich nicht bedacht, das wäre bei der Onlineticketsportstätte nicht so gewesen. Überhaupt bin ich im Traum nicht auf die Idee gekommen, mich vorher über die Eintritts- oder Schlittschuh- Ausleihpreise zu informieren. Weil ich aus der DDR bin und da hat der Eintritt ins Schwimmbad oder zum Schlittschuhlaufen ca. 17 Pfennig gekostet und 10 Pfennig für Familien.

Ja gut. Aber dafür gabs halt die Mauer, die Stasi und den Schießbefehl, das muss man gerechterweise dazusagen, das darf man in dem Zusammenhang nicht zu erwähnen vergessen.

Aber hier in West- Schluckwitz kosten ein Erwachsener und zwei Kinder und dreimal Schlittschuhe 38 Euro plus fünf Euro Schlüsselpfand für den Spind, Kartenzahlung nicht möglich und die Eisbahn wie gesagt klein, dafür aber laute Musik und uralte hässliche Schlittschuhe und durchgefeuchteter Teppichboden in der Halle, wo man die Schuhe anzieht und die ganze Zeit Nachrichten von der Mutter der Freundin, wo wir bleiben und kein Mucks von dem Loser und Patrick war blass um die Nase und ihre Stirn war heiß und Spongebob hatte ihre Freundin gefunden und war schon glücklich aufs Eis gedüst und ich noch dabei, Patricks Füßchen in den knallharten bröckligen schmuddeligen Kunstlederklotz zu quetschen und meine Füße in meine Schlittschuhe und dann stand die Mutter der Freundin vor uns und meinte, sie würde jetzt gehen und ich so:

„Wie? Wohin?“

Und sie meinte, mit Schlittschuhfahren hätte sie nichts am Hut und ich soll sie anrufen, wenn wir fertig sind und ich hatte mir eigentlich vorgestellt, dass sie und ich zusammen ein paar Runden auf dem Eis drehen und und dabei quatschen, von Frau zu Frau und ich nebenher Patrick das Schlittschuhfahren beibringe und vielleicht dabei auch ihre Expertise verwenden kann, aber dem war nicht so und ich bin dann mit Patrick allein aufs Eis.

Wir wollten gerade loslegen, da tippte mir jemand in Warnweste uf die Schulter und meinte, das Betreten der Eisfläche wäre mit Rucksack auf dem Rücken nicht gestattet und ich sagte, ok, und ich dachte, was soll das denn, ich hasse ihn. 38 Euro Cash, aber mir den Rucksack verbieten, ist denn das zu fassen. Und dann ging ich mit Patrick unseren Spind suchen, für den ich ja immerhin den Schlüssel hatte.

Wir stöckelten da auf Schlittschuhen durch die Gegend, aber ich fand den Spind nicht und deswegen hängte ich den Rucksack irgendwo an einen Haken und später fragte Spongebob, warum ich den Rucksack nicht in den Spind getan hätte, weil sie manchmal so sinnlose Fragen stellt, gerade, wegen der Pubertät und dann muss man ihr das erklären, lang und breit und sie sieht einen dabei die ganze Zeit an, als wäre man komplett bescheuert.

Als Patrick und ich wieder auf der Eisfläche waren, ohne Rucksack, war sie noch blasser geworden und sie hielt sich ängstlich an der Bande fest und trippelte in kleinen Schritten vorwärts und konnte wegen der lauten Musik kaum hören, was ich sagte und auch nicht erfassen, dass ich versuchte, ihr vorzumachen, wie man eisläuft, aber so richtig konnte ich das gar nicht, stellte ich fest, obwohl ich gedacht hatte, dass ichs kann und es war aber so dermaßen voll und die Musik war dermaßen laut und ständig kamen Leute an die Bande geknallt und waren uns im Weg oder wir waren denen im Weg und das war alles zu viel für Patrick, weil sie sich so doof fühlte, weil sie es nicht konnte und alle anderen es aber konnten, auch Kinder in ihrem Alter.

Ich verstand sie, denn mir gings genauso.

Ich selbst bin ja auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr beim Eislaufen gewesen, obwohl ich immer der Meinung gewesen war, dass ich das ganz gut kann, also als Kind war ich doch auf dem Dorfteich Pirouetten gefahren, und hatte mir dabei vorgestellt, ich sei Kati Witt und Carmen on Ice und ich liebe doch Eiskunstlauf so sehr, aber vielleicht stimmt das gar nicht, jedenfalls war ich auch nicht gerade leichtfüßig unterwegs, aber es wäre doch gegangen, ich liebe Schlittschuhlauf wie gesagt, ich habe gemerkt, ich könnte, wenn ich könnte, aber ich konnte ja nicht, wegen Patrick. Ich konnte sie nicht allein an der Bande lassen, wo doch dauernd Leute da am reinkrachen waren und rumstehen konnte man da auch nicht und so weiter.

Spongebob und ihre Freundin waren nirgendwo zu sehen, die flogen selig übers Eis, wenigstens die waren glücklich.

Nachdem Patrick und ich einmal an der Bande im Kreis um die Bahn gekrochen waren, bat mich Patrick darum, so ein Robbenpinguineislauflernschiebedings auszuleihen und zuerst weigerte ich mich, weil das nämlich nicht umsonst war, wie ich zuerst dachte, sondern das sollte fünf Euro kosten, plus zehn Euro Pfand und außerdem waren alle von den Teilen gerade verliehen, aber nach der zweiten Runde an der Bande machte ich es doch, aber das brachte nichts, weil Patrick das Ding auf dem rauhen Eis nicht angeschoben bekam, weil sie sich nicht traute, einfach Schwung zu holen und die Musik war so laut und tausend Leute um uns herum am Cruisen und Patrick war inzwischen noch blasser geworden und nachdem sie es fünf Minuten mit dem Robbenteil versucht hatte, meinte sie, sie würde gern nach Hause gehen und sie hatte ein dermaßen klägliches Stimmchen, dass ich vor Mitgefühl beinahe explodierte und ich stimmte ihr sofort zu.

Aber nun mussten wir erstmal die Robbe zurückgeben und ich legte mir schon Formulierungen zurecht, weil ich darum betteln wollte, meine fünf Euro zurück zu bekommen, weil wir die Robbe doch nur ganz kurz gehabt hatten, aber da tauchten Spongebob und ihre Freundin auf und freuten sich über das Robbendings und entführten sie und Patrick und ich hatten schon wieder unsere Straßenschuhe an, als mir einfiel, dass ich die großen Mädchen nicht einfach allein dort in Schluckwitz lassen kann und ich nicht einfach so weggehen kann, sondern ich der Mutter der Freundin deswegen Bescheid sagen muss und die sich dann mit den großen Mädchen connecten muss, wegen des Rückwegs.

Also ging ich mit Patrick wieder zur Eisbahn und wir suchten sie nach Spongebob und ihrer Freundin ab und wir fanden sie nicht, weil da ja tausende Leute am schlittschuhlaufen waren und am Leben genießen und dann sahen wir sie an uns vorbeirauschen, fröhlich lachend und die Musik war so laut und sie sahen uns nicht und sie hörten unser Rufen nicht, wegen der Musik und dem allgemeinen Menschengetümmel auf dem Eis und irgendwann sagte ich Patrick, sie soll genau da stehen bleiben und auf mich warten und Patrick sagte, nein, sie will nicht und ich sagte, du musst, ich bin gleich zurück, und ich ging mit Straßenschuhen aufs Eis und schnappte mir Spongebob und erklärte ihr die Lage , also dass wir jetzt gehen und ob sie alleine den Rückweg findet, im Dunkeln von Schluckwitz in der Prenzlberg zurück? Und sie sagte, was? wieso? und ich wiederholte alles nochmal und dann sagte die Freundin was? wieso? und ich erklärte auch der alles noch mal, also dass ich jetzt gehe und ich ihrer Mama Bescheid sage und dass sie ihre Mama anrufen müssen, zwecks Rückweg und die beiden sahen mich an, als wäre ich von einem anderen Stern und sie brauchten eine Weile, um zu verstehen, was ich von ihnen will, weil sie komplett im Eislaufglücksdelirium waren und sie komplett im Augenblick und in der Gegenwart steckten und außerdem war die Musik so laut und wir standen allen im Weg, weil auf dem Eis soll man ja fahren und nicht stehen und mir war kalt und ich war genervt, weil alles so laut und teuer und kalt und dunkel und so weiter und genau in dem Moment tippte mir auch noch der Eislaufaufseher in Warnweste auf den Rücken und sagte, das Betreten der Eisfläche in Straßenschuhen wäre nicht gestattet und da habe ich den dermaßen angebrüllt, dass die Erde stehen blieb und es wurde absolut still um uns herum und alle sahen mich an, die durchgeknallte Psychobraut in Straßenschuhen auf dem Eis.

Ich schnappte mir Patrick und wir machzten den Abgang und ich griff zum Handy, um die Mutter der Freundin anzurufen, um ihr Bescheid zu sagen und da sah ich die Antwort meines Losers auf dem Handy:

Er würde derzeit niemanden sehen wollen, schrieb er kühl und weiter nichts und das war ja sowieso klar und keine Überraschung und ich dachte, besser so, aber wie kleinlich und doof kann man sein und ich blockierte ihn auf Insta und dachte, mein Gott, wie kleinlich und doof kann ich sein. 

Als wir wieder auf dem S- Bahnsteig waren, stand da, die nächste Bahn käme in 25 Minuten, wegen Störungen im Betriebsablauf und ich dachte: 

Fick dich BVG, seid ihr denn alle komplett wahnsinnig? 

Patrick meinte, sie friert und sowas sagt sie normalerweise nie und ich ging mit ihr auf die Straße zurück zur nächsten Bushaltestelle, weil wir können doch nicht 25 Minuten bei Minus 6Grad in Schluckwitz auf eine S- Bahn warten, im Freien, ohne Unterschlupf, total durchgefroren und abgefuckt. 

Als da genau in dem Moment ein Bus kam, habe ich nicht auf den Fahrplan gesehen, sondern bin mit Patrick eingestiegen, weil ich uns aus der Kälte rausbringen wollte und bloß schnell weg von hier, ganz besonders auch von dieser Eislaufbahn, wo man mir 40 Euro für nichts in bar abgeknöpft hatte und das war mein Budget fürs Essen die nächste Woche, weil ich megapleite bin und schleunigst nach Hause. 

Der Bus wird ja sicherlich an irgendeiner U- Bahnstation halten, dachte ich. Aber der fuhr und fuhr und fuhr immer weiter und die Namen der Stationen wurden immer abenteuerlicher. Vom “Einödweg” ging es zum “Hinterletzten Eck” bis zur “Tot-überm-Strauch- Zeile” bis zum “Waldsassensteig” und da war dann Endstation, nach 25 Minuten Fahrt. 

Wieso hier Menschen lebten und es hier eine Busstation gab?

Weil das einfach nur ein Neubaugebiet ohne Punkt und Komma war und ohne U- Bahn- Anschluss und ohne alles.

Auf der anderen Straßenseite war ein Edeka. 

“Nah und gut” stand auf der Leuchtreklame und das war ja wohl der blanke Hohn.

“Am Arsch der Welt und komplett beschissen” hätte da stehen müssen, oder wenigstens “Fern und schlecht” und außerdem war er geschlossen, weil Sonntag, warum leuchtete die Reklame, für wen denn, hier war doch keiner außer uns und was ist mit dem Klima. 

Nach zehn Minuten kam ein anderer Bus. 

Zwei Buslinien für diesen überflüssigen Ort. Gab es die Buslinien wegen des Waldsassenwegs, oder den Waldsassenweg wegen der Buslinien.

Irgendwie war das hier wohl ein Knotenpunkt des Wahnsinns.

Wir steigen ein und fuhren 25 Minuten zurück und weiter, bis zur U- Bahnstation “Alt- Mariendorf“ und Patrick schlief in der U- Bahn ein und wir mussten dann noch zweimal umsteigen und als wir zuhause ankamen, legte ich Patrick sofort ins Bett, weil sie Fieber hatte und kurz danach kam Spongebob an,  weil die Mutter der Freundin sie mit dem Auto nach Hause gebracht hatte. Ich bin dann nochmal kurz raus und habe uns Döner for Dinner geholt und mir ein kleines Bier.

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