Basically sober

Es ist ja ein bisschen ernüchternd, wie das Leben so ist, nachdem man alles Störende entfernt hat. Seien es nun Menschen oder Gegenstände. Zwar wird man dann nicht mehr genervt oder gelangweilt oder ausgenutzt. Man grübelt nicht mehr nach, wie das nun wieder gemeint war, ob man selber im Grunde auch nicht besser ist und wieso man sich nun schon wieder hat was bieten lassen müssen und ob man hätte anders reagieren sollen. Sondern man hat jetzt also seinen Seelenfrieden und auch zuhause liegt kein überflüssiges Zeug mehr herum, dass man wegsortieren muss und alles ist jetzt aufgeräumt und friedlich, sowohl im sozialen Umfeld, als auch im Wohnumfeld. More or less natürlich, aber kein Vergleich mit vorher, mit dem überbordenden, alles verschlingenden Chaos. 

Das ist vorbei und kommt nie wieder. 

Und das ist für mich absolut unakzeptabel. Schnellstmöglich muss das Chaos wiederhergestellt werden. Muss ich was Unbrauchbares finden und anschleppen, alle Ecken mit Müll zustellen. Mir mit nervigen Leuten sinnlos die Nächte um die Ohren schlagen und mir irgendwelche Verabredungen und Verpflichtungen ans Bein binden und das dann alles kurz vorher absagen und einfach im Bett liegenbleiben und auf dem Weg zum Klo einen Herzinfarkt kriegen, wegen dem ganzen Zeug was da schon wieder im Flur rumliegt und das Handy auf Flugmodus stellen und mich wieder hinlegen und darauf warten, dass es wieder alles dringend und brenzlig genug wird, darauf warten, dass es wieder richtig schlimm wird, so schlimm, dass es endlich wieder endgültig unvermeidbar wird, sich zusammenzureißen und ein für alle Mal aufzuräumen und alles gnadenlos wegzuschmeißen und sämtliche Kontakte abzubrechen und das Chaos restlos zu beseitigen und klar Schiff zu machen, weil ja sowieso keins kommen wird. 

Oder es kommt eins und das läuft ja dann auch schon wieder aufs Gleiche hinaus. Das wird sich nie ändern. Das bleibt so. Genau wie der Kollwitzplatz. Der ist auch schon wieder seit Jahren eine Staubwüste -schon jetzt im Mai. Der Rasen komplett niedergetreten oder gar nicht erst angepflanzt. Das kleine Geländer rundherum, auf dem die Kinder so gut balancieren konnten, ist komplett verbogen, oder fehlt meistenteils. Wenn man quer drüber läuft, wirbelt Staub auf, als würde man mit SUV durch die Wüste fahren und dann sitzt man auf einer der vollgesprühten Bänke, so halb jedenfalls sitzt man, weil da fehlen Sitzbretter auf der Bank, dafür steht sie auf der sogenannten Wiese, statt wie die anderen am Rand, weil die jemand hingeschleppt hat und davon profitiert man jetzt, also weil man dadurch Abendsonne bekommt und die anderen nicht, weil der Kollwitzplatz ja irgendwie falsch rum steht, also die hatten die Position der Abendsonne nicht einberechnet, damals. Das letzte und beste von der Sonne bekommt man deswegen nur hinten links auf dem Spielplatz, aber da wollen wir nicht hin, mit Bier ohne Kinder. 

Deswegen geht es beim Biertrinken auf dem Kollwitzplatz wie seit Jahren schon, unter anderem darum: Um die englischen Parks, oder die französischen Parks- wie die das hinkriegen und dass wir doch eigentlich auch Expertise haben müssten, in Germany- Fürst Pückler und so- aber dass hier dergleichen schon lange aufgegeben wurde und wenn doch mal was gemacht wird, dann werden Bäume abgesägt. Die Stümpfe lassen sie stehen, dafür reicht das Geld dann nicht mehr, die Stümpfe auszugraben, die ragen dann aus dem Staub und die Hunde pinkeln dran und ich sage, wie immer wenn es darum geht:

Ich verstehe das nicht, es wäre doch für alle gut, da einen Zaun drum und abends abschließen, und Hundeverbot und Fußballspielverbot, dafür gibts doch Sportplätze und Hundeauslaufplätze gibt es doch auch genug, ist denn nicht alles inzwischen ein Hundeauslaufplatz in Berlin, muss das denn wirklich überall sein. Aber eigentlich ist es mir egal. Ich sage das nur, weil es Spaß macht, sowas zu sagen. Aber da wäre das Geschrei wieder groß und keiner hält sich dran, obwohl es doch eigentlich für alle schön wäre, so ein grüner Rasen, ohne Pipi drauf und unzertrampelt, auch gut für die Luft und die Umwelt, aber wer sowas sagt, ist rechts und es gibt eigentlich keine Utopie mehr, bzw. das ist dann schon die Utopie, von der wir hier nicht mal mehr zu träumen wagen: Grüner Rasen, Wiese, gepflegtes Grün, Kulturlandschaft, Kultur- aber das ist in Berlin nicht mehr zu bekommen, trotz CDU- Regierung. Und so weit ist es schon gekommen, dass das schon Utopie ist: Sauberer gepflegter Rasen. 

Aber es stimmt, mehr ist es nicht. Es gibt kein Bild vom Paradies, dass ohne weite gepflegte Rasenflächen auskommt, oder auch die Zukunftsvisionen aus den 2010er Jahren, mit weißen Hochhauspalästen und gläsernen Metros. Hier schreitet der Mensch der Zukunft auf sich ins Weite schwingenden Hängebrücken über gepflegte Rasenflächen.

5 Kommentare

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die freuen sich auch, dass alle englisch sprechen und man überall zu jeder tages und nachtzeit drogen kaufen kann :-)))

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