Agape Surrogat

Habe ich eigentlich was verpasst, frage ich mich. Waren alle anderen da, nur mir hat keiner Bescheid gesagt, oder war es so, dass sie mir natürlich Bescheid gesagt haben, aber dass ich mal wieder nicht hingegangen bin. Vielleicht weil ich zwar dabei sein, aber im Gegensatz zu den anderen, nichts vorlesen sollte, an dem Abend und ich natürlich nicht dabei sein wollte, wenn ich, im Gegensatz zu den anderen, nichts vorlesen soll. Oder hatte gar nichts stattgefunden? Deswegen habe ich zuerst nicht verstanden, warum ich neulich die Einladung bekommen habe. Ich dachte, huch, wow, aber warum? Ist das special oder random? Sollte ich da trotzdem hingehen, auch ohne das zu wissen? Wie so arbeitslose Schauspieler auf Premierenparties? Ja genau, weil der Ansatz ist im Prinzip nicht falsch. Ich sagte zu. Mag sein, dass der Ansatz im Prinzip nicht falsch ist, aber ich wollte dann lieber doch nicht hin. Was soll ich da? Wenn die beruflich was von mir wollen, dann würden sie anders Kontakt suchen, sagte ich mir. Weswegen ich absagte. So ignorant bin auch nur ich, habe ich gedacht, als mir wenig später durch einen Zufall klar wurde, warum ich die Einladung bekommen hatte. Was aber ein nicht ausreichend cooler Grund war, um hingegangen sein zu wollen. 

Aber wie krass, den nicht sofort auf dem Schirm gehabt zu haben. Schlimm. Wahrscheinlich wegen Ignoranz, Verpeiltheit, Arroganz, Größenwahn, Minderwertigkeitskomplex, innerem Frieden und hat meine Cousine mir nicht neulich ADHS diagnostiziert? 

Ich bin überhaupt viel zu wenig im Bilde und andererseits aber auch zu viel. Wie man beispielsweise an der Filmsache sehen konnte – also erst gar nicht reagieren, dann überall rumtelefonieren und Freunde aus der Branche fragen und die gleichen Fragen auch googeln und auch nochmal extra 60minütige Telefontermine mit hochrangigen Kontakten wahrnehmen, und auch Eye to eye Meetings mit Profis, die einem dann im Anschluss noch zusätzliche Kontakte zu Spezialkoryphäen klarmachen, zu hochausgefuchsten Insiderexperten, zwecks Faktencheck und Zweitmeinung. Dann die auch noch alle anrufen, alles notieren, das Gekritzel nicht entziffern können, Zurückrufen wegen Rückfragen, weitere Telefonate, Einholen von Dritt- und Viertmeinungen, noch mehr Telefonate, weitere Internetrecherche, Tabellen anlegen, To- Do- Listen, Worst- Case- Scenarios, bestmöglicher Outcome, Checklisten, worauf man alles achten muss, was unbedingt drin sein muss, was auf keinen Fall rein darf, und alles von vorne. Aber dann doch die Knebelverträge ungelesen unterschreiben. Sie dann Monate später nicht mehr finden und sich deswegen sein Exemplar nochmal faxen lassen, weil man das sicherheitshalber doch nochmal einem echten Anwalt zeigen will, also einem besseren, weil anderem Anwalt, als dem ersten Anwalt, bevor es zu spät ist, aber der sagt das Gleiche, nämlich, dass es jetzt zu spät ist und er da nichts mehr machen kann, es aber auch n icht braucht, weil alles relativ larifari und dem dann für diese Info 500 euro zahlen und von der restlichen Kohle die Hälfte abgeben müssen, weil ich den anderen Vertrag, ja damals auch nicht gelesen hatte, vor dem Unterschreiben. 

Bei der Gelegenheit fällt mir ein, ich habe ja auch bei dem Podcast nicht mitmachen wollen und die eine Agentin verlassen und der anderen abgesagt und mich beim dritten nicht mehr gemeldet und den Auftritt abgesagt und auch bei dem Projekt nicht mit eingestiegen und bei einem anderen eingestiegen und direkt wieder ausgestiegen, und das Angebot abgelehnt und das nicht, aber dann nochmal nachgedacht und dann eben auch da ausgestiegen und derdiedas wollte ich auch nicht machen, bin da nicht hingegangen und hab bei dem einen superwichtigen Termin nicht wollen gekonnt und so gibts viele schmähliche Beispiele dafür, wie ich die Hände, die man mir reicht, nicht annehme, die Chancen, die man mir gibt, in den Wind schlage. (#notallhands, #notallchances) 

Andererseits, was brächte hechelnde Bereitschaft denn? Was von Wert ließe sich dafür bekommen? Für Schleim bekommt man keine Diamanten. Mag sein, dass ein Kriecher es irgendwann zum eigenen Penthouse bringt, aber den Olymp wird er so niemals erreichen. 

Die Krone der Ewigkeit erringen nur die Unbeugsamen. Wer sich glaubt, sich krümmen zu müssen, um hochzukommen, irrt. Zumal derartiges Verhalten auch meiner Art fundamental widerspräche. 

Wobei ich den, sich geschmeidiger geben wollenden, Kollegen nicht unterstelle, ihrem Beruf in “hechelnder Bereitschaft” zu frönen. Ich sehe das wertfrei und kann das verstehen und anders gehts ja nicht, und/oder ich kenne auch einfach die Codes nicht, oder kann sie nicht und romantisier dann my Way. Also, ich behaupte, nicht zu wissen, was man machen muss und auch nicht, was man nicht machen darf, und erst recht nicht, was man nicht NICHT machen darf. 

Normal. Auch die Erfolgreichsten, Berühmtesten, Beliebtesten, Arriviertesten werden nicht müde, allen bei jeder Gelegenheit zu offenbaren, wie unverstanden, allgemein verkannt, seit jeher disrespektiert, falsch gesehen, missachtet und geächtet sie von aller Welt, sie sich finden. Genau so ist es und das zu Recht. Ich finde das auch, aber nur manchmal, ausnahmsweise, ganz ganz ganz selten, ultra ultrakurz. Jedoch ausschließlich im Privatgespräch.Sich auskotzen, in reflektiertem Tourette und bin ansonsten und ganz in echt, auf ernst, live und in Farbe, dankbar und zufrieden und auch komplettestens immun gegen Wertschätzung, oder mangelnde Wertschätzung. Amen. Weil ich bereue bislang eigentlich nichts von dem, was ich nicht gemacht habe und wenn ich doch was bereue, dann eigentlich immer nur, was ich gemacht habe, weil ich geglaubt habe, dass man das eben leider so machen muss, wegen des Codes. Aber dann besann ich mich hardcore und machte sowas nicht mehr. Aus Selbstrespekt und vor allem, weil ich dachte, dass allzu beflissene Eifrigkeit meine Aura zerstört und den Nimbus. Inzwischen denke ich jedoch: Zu vornehm darf die Zurückhaltung aber auch nicht sein, wegen des grünen Zweiges. Weswegen ich die Kunst erlernen muss, sie auszuüben, die allzu beflissene Eifrigkeit, aber anders als gewohnt halt- nämlich sie auszuüben, aber OHNE sie dabei an den Tag zu legen. We are conditioned to think about art as something that we perceive in a certain way and that art presents itself to us in a certain way and I want to break with that.

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